Ich hab es nicht lassen können und das Nexus 6 kurzerhand bestellt. Doch (leider) ist es wieder am Rückweg und das nicht nur, wegen diverser Hardwarefehler. Auch die allgemeine Form lässt und der Verkaufsmodus lassen zu wünschen übrig.
Die Geschichte der Nexus Geräte ist eine schwierige. Man weiß eigentlich nie genau, was Google erreichen wollte, außer vielleicht ein pures Android zu verbreiten. Das Nexus One hatte noch als Hardware-Vorbild dienen sollen. Das Galaxy Nexus war, soweit ich mich erinnern kann, anfangs sehr teuer aber verfolgte ähnliche Ziele, mit dem Nexus 4 und Nexus 5 ging Google etwas den Weg des Preisbrechers. Mit 350 € war das Nexus 5 im Preis-Leistungs-Verhältnis ein unschlagbares Smartphone. Dann kamen die Gerüchte über Android Silver und den Tod der Nexus-Linie. Und schließlich kam doch wieder alles anders und das Nexus 6 war geboren. Sinn und Zweck? Gute Frage, man hat die Hardware an die Limits getrieben. Quad-HD Display, maximale Größe, super Prozessor und man startet mit 32 GB anstatt der üblichen 16 GB Speicher. Und dafür verlangt man stolze 600 €.
Das Nexus 6 ist zu groß
Viele Reviewer sagen, das Nexus 6 ist gerade noch richtig. Ich konnte mich zwei Woche lang nicht daran gewöhnen. Die Displaygröße selbst ist natürlich angenehm, je größer desto besser. Aber ich konnte das Gerät kaum halten, obwohl ich mit meinen 1,85m durchaus große Hände habe. Das Problem ist gar nicht so die Größe selbst, sondern die Ecken. Durch die schmalen Kanten hat man - im Vergleich zum Nexus 5 - kaum Grifffläche. Der Ein-/Ausschalter ist irgendwo in die Mitte gerückt, sodass man in der einhändigen Bedienung stets das Gefühl hat, das Telefon kippt oben über. Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Einzige Lösung: Case. Mit einem Flip Case sieht das Gerät war schon fast lächerlich groß aus aber zumindest hat man nicht mehr das Gefühl, es zu verlieren.
Das Nexus 6 ist zu teuer
Der Preis ist ein weiterer Kritikpunkt. Mit 600 € (und krassen Lieferverzögerungen) sind wir hier in der oberen Luxusklasse der Smartphones angelangt. Wollte das Nexus 5 noch zeigen, was alles mit wenig Geld möglich ist, zeigt das Nexus 6 lediglich, was andere Marken auch schon geschafft hat. Quad-HD? Gibt es schon. Mehr Power, mehr Ram? Mehr Größe? Das Nexus 6 kann nichts vorzeigen, was es besonders hervorstehen lasst. Im Gegenteil, Quad-HD frisst wie wahnsinnig Akku. Klar, der Turbucharger von Motorola hilft, aber trotz des riesigen Akkus ist das Gerät bei normaler Nutzung täglich aufzuladen. Im Vergleich dazu musste ich mein Nexus 5 nur jeden zweiten Tag laden. Zudem gibt es viele Berichte, dass dem Nexus 6 einige Hardwareelemente fehlen, zum Beispiel der Fingerabdrucksensor und das Benachrichtigungs-LED, die zwar mehr oder weniger eingebaut sind (zumindest das LED) aber nicht genutzt werden. Gleiches gilt auch für das sogenannte Ambient Display. Eine ähnliche Technologie setzt Motorola beim eigenen Moto X ein. Google hat diese Funktion jedoch so minimalistisch im Nexus 6 umgesetzt, dass sie so gut wie sinnlos ist.
Das Ergebnis? Man erhält ein vollgestopftes Super-Smartphone, das seine Hardware nicht voll ausnützen kann. Ein Vorteil bleibt allerdings: Man hat pures Android auf dem Gerät. Dieser Trade-off war bisher in Ordnung und für mich als Tüftler war der Vorteil eines puren Android größer als teilweise sinnlose Herstellermodifikationen zu haben. Mit der Existenz der fast puren Motorola Geräte und schön langsam rascheren Updatezyklen anderen Hersteller (LG und HTC liefern ja schon Lollipop aus!) wird dieser Vorteil jedoch immer kleiner. Faktisch hat Motorola teilweise sogar die Nexus Geräte bei der Android 5 Auslieferung geschlagen.
Das Nexus 6 ist kein Nexus
Für mich ist das Nexus 6 somit eigentlich kein Nexus Telefon mehr. Es treibt keine Innovation voran. Was möglich ist, zeigen andere Hersteller genauso. Es ist somit nur noch ein Showcase für pures Android 5 und das ist mir im Nachhinein keine 600 € mehr wert. Der Verdacht liegt nahe, dass das Nexus 6 eigentlich ein Android Silver Gerät hätte werden sollen und mit der Absage an das Programm das Gerät zum Nexus zwangsverwandelt wurde.
Was ich ebenfalls nicht verstehe, ist der Designwechsel. Das Nexus 5 hat mit dem "rubberised Plastic" und dem kantigen Gehäuse eine gewisse Nexus-Normform geschaffen. Während sich das Nexus 9 von HTC ziemlich an dieses Design hält, ist das Nexus 6 grob gesagt einfach ein aufgeblasenes Moto X 2014 ohne der Nexus Form auch nur nahe zu kommen.
Ebenso überraschend war die Speicherauswahl. Nexus bedeutet Google und Google bedeutet Cloud. Nicht dass ich böse wäre, aber da ist die 32 GB Minimalvariante ebenso überraschend und nicht sehr nexus-like.
Ungeliebte Stiefkinder der OEMs
Was mich zu meinem letzten Punkt bringt. Irgendwie erscheint mir das Nexus 6 so als ob es ein ungeliebtes "Müssen-wir-halt-machen"-Gerät von Motorola wäre. Zum einen hatte ich einen Fehler, wahrscheinlich war das Audiomodul defekt. Der Klingelton wurde mit starker Verzögerung abgespielt (10-20 Sekunden!), ein Wechsel des Klingeltons half nichts, Werkseinstellungen und Factory Image installieren ebenso nicht. Das dürfte allerdings ein Einzelfall gewesen sein.
Bei der Rückenplatte sieht es schon anders aus. Diese löst sich bei vielen Geräten. Ein YouTuber zeigt ganz schön, wie man die Platte lösen kann und man sieht ganz klar die Schwachstelle rund um die Hardware-Buttons. Wie man sieht, steht bei meinem Gerät die Rückplatte tatsächlich etwas hervor. Vielleicht hätte sie sich nicht relevant gelöst aber gemeinsam mit dem Audio-Fehler bedeutete das: zurück an den Händler.
Wie schon angesprochen wurden auch einige Funktionen (LED) eingebaut und einfach nicht verwendet. Übersetzt bedeutet das für mich, dass Motorola einfach möglichst günstig ein Gerät zusammengestöpselt hat, welches Google halt passt.
Auch bei den Zusatzfunktionen merkt man gewisse Schwächen. Die Motorola Active Display Technologie ist ein Traum. Eigentlich benötigt man den Einschaltbutton nicht mehr. Benachrichtungen werden sofort am Display stromsparend angezeigt, man kann sie leicht bearbeiten. Nähert man sich dem Gerät nur mit der Hand schaltet sich das Display bereits ein. Google hat im Nexus 6 das sogenannte "Ambient Display" eingebaut. Faktisch das selbe nur in der Umsetzung katastrophal. Der Funktionsumfang beschränkt sich lediglich auf eine Aktivierung beim Anheben des Geräts und das ist oftmals reine Glückssache.
Ähnliches merkt man auch beim Nexus 9. Die ersten Versionen sind schleißig verklebt, haben unglaubliche Lichthöfe bei schwarzem Hintergrund und die Buttons sind tatsächlich alles andere als angenehm. Kaum zu glauben, dass HTC so schlampig sein kann, wenn man schon jemals ein HTC One M8 in der Hand gehalten hat. Anders ausgedrückt bestätigt es ein bisschen die Theorie: Die OEMs machen das mindeste um Google zufrieden zu stellen und die Qualitätssicherung von Google ist offensichtlich alles andere als optimal.
Sollte Google die Nexus Strategie nicht wieder in Richtung Nexus 5 ändern (Solides, technisch aktuelles Smartphone zum moderaten Preis mit purem Android, Fokus auf Entwickler und vor allem zum Vorantreiben neuer Technologie [Beispiel: Onscreen-Buttons!]) wird das wohl mein letztes Nexus Gerät gewesen sein. Die Nexus Vorteile verschwinden, die Qualität lässt zu wünschen übrig und der Preis ist (dann im Verhältnis) zu hoch.
Nexus 6 Alternative
Interessanterweise lässt sich ein nahezu perfektes Nexus 6 finden. Kleiner, handlicher, liegt besser in der Hand und nutzt die Hardware auch voll aus: Das Moto X 2014, ebenfalls von Motorola. Man findet kaum modifiziertes Android, erhält Updates nahezu so schnell wie von Google selbst und der Hersteller scheint hier besser auf die Qualitätskontrolle seiner eigenen Produkte geachtet zu haben, als beim Nexus Auftrag. Den Rückschritt von Quad-HD zu normal HD merke ich ebenfalls nicht. Im Gegenteil, das Nexus 6 hat in machen Apps stark geruckelt und ich habe da stark die hohe Auflösung im Verdacht. Zusatzsoftware ist beim Moto X übrigens in Form von Play-Store fähigen Apps installiert und der Mehrwert von Moto und Moto Connect ist durchaus vorhanden. Ansonsten ist so Nexus wie es nur sein kann und das zum Preis von rund 420 €.
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